Berliner Zeitung
Montag, 6. Juli 1992
HAUPTSTADT-RUNDSCHAU
Pickelhaube und Lambada
Internationales Drehorgelfest verzauberte die Innenstadt
„Wo ist denn nun unser Platz?", stöhnte Ingo Hopf und drängelte sich durch die Drehorgelreihen. Zusammen mit seiner Frau Manuela hatte er die Platznummer 44. Aber seinen Platz zu finden, war gar nicht so einfach.
Denn am Wochenende trafen sich 200 seiner Zunft zum „11. Internationalen Drehorgelfest Berlin" - darunter Gäste aus Holland, der Schweiz und Großbritannien - zu einem großen Umzug durch die Berliner City.
„Eigentlich bin ich Lehrer", erzählt Ingo Hopf, während er seine Orgel vor sich herschiebt und zwischendurch die Pickelhaube geraderückt. Er hat sich als preußischer Wachtmeister kostümiert, seine Frau Manuela ist im Dirndl erschienen. „Als Drehorgelspieler kann man doch nicht in Zivil auftreten. Und kaum jemand ist heute noch "professioneller Drehorgler”, erzählt sie. Manuela Hopf arbeitet im Bezirksamt Steglitz. „In ganz Berlin gibt es heute noch ein oder zwei Drehorgelspieler, die davon leben. Aber die sind heute nicht dabei. Die müssen Geld verdienen." Nach einiger Zeit haben sie doch noch ihren Platz für den Umzug gefunden.
Manuela Hopf legt die erste Walze - einen langen, aufgerollten Papierstreifen mit Löchern - ein. „Wenn ich jetzt drehe, dann betätige ich den Blasebalg und gleichzeitig läuft das Papierband mit. Überall, wo ein Loch ist, spielt eine der Orgelpfeifen einen Ton", erklärt sie die Technik. Und welches Lied enthält der gelöcherte Streifen nun? Manuela Hopf zupft ihr Dirndl zurecht, grinst, und legt los: „Lambada, unser Lieblingsstück."
Aber nicht nur diese Melodie erklingt, sondern auch Drehorgelklassiker wie die „Berliner Luft" oder „Tulpen aus Amsterdam". Und wem das nicht gefiel, der konnte sich auch die Beatles, die amerikanische Nationalhymne oder den „Can Can" anhören.
Klaus Wille
Hauptstadt-Rundschau
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