Berliner Abendblatt LOKALAUSGABE STEGLITZ
4. Jahrgang — Nr. 40 — 06. Oktober 1999
Mit Drehorgel von Steglitz nach Chicago
Vom Bezirksamtssessel nach Amerika:
Manuela Hopf ist eine Botschafterin der besonderen Art
Steglitz. Sie sitzt im Steglitzer Hochbauamt, wo jeden Tag Telefonate, Papierkram und Akten auf sie warten. Langweilig? Vielleicht zumindest wenn man sonst nichts anderes tut. Doch Manuela Hopf führt ein zweites Leben. Sie ist eine begeisterte Leierkastenfrau: "Der perfekte Ausgleich. Gäbe es das Drehorgelspielen nicht, man müsste es erfinden." Gerade ist Manuela Hopf aus Chicago zurückgekehrt, wo sie auf einer Messe Deutschland vertrat - natürlich mit ihrem klingenden Kasten.
Angefangen hat alles vor elf Jahren. Eine Freundin überredete sie mit zum Berliner Drehorgelfest zu kommen. Schnell war für die gelernte technische Zeichnerin klar: „Ich brauche einen Leierkasten." Auch die Kosten konnten sie nicht schrecken: Eine neue Drehorgel ist unter 10.000 Mark nicht zu haben. Sie besorgte sich eine gebrauchte. Dann ging alles sehr schnell. Inzwischen sind aus dem einen Leierkasten drei geworden, und Ehemann Ingo hat sich von ihrer Leidenschaft anstecken lassen. Die beiden treten als „Berolinchen" und „Bärchen" auf, oft zu zweit, oft auch alleine. Manuela Hopf zieht nicht Geld sammelnd durch die Straßen, sondern lässt sich engagieren. Die Nachfrage ist groß: Sie war dabei, als Bundespräsident Herzog im Bellevue verabschiedet wurde, sie spielt vor ausländischen Gästen im Adlon oder bei Empfängen, in Seniorenheimen, bei Kindergeburtstagen oder Familienfeiern. „Das ist eine tolle Arbeit. Du hast nur mit gutgelaunten Menschen zu tun", sagt die 43-Jährige. Häufig ist Mitmachen angesagt, ob es sich nun um deutsche oder ausländische Zuhörer handelt. Manuela Hopf verteilt Liedertexte, und dann wird mit vereinten Kräften „Bolle reiste jüngst zu Pfingsten", „Sabinchen war ein Frauenzimmer" oder „Fritze Bollmann" geschmettert. Wer mag, darf auch selbst an der Kurbel drehen und erhält als „Orden" ein selbstgehäkeltes rotes Herz zum Umhängen „Das tragen,' Mit Stolz - selbst elegante Geschäftsleute in Schlips und Kragen", lächelt Manuela Hopf. Auch Kinder legen gerne Hand an, selbst wenn sich da den ganz Kleinen bald Muskelkater einstellt.
Die gebürtige Charlottenburgerin, die inzwischen in Pankow lebt, hat allerdings nicht nur Berliner Lieder im Repertoire, sondern Weisen aus ganz Deutschland, 50er Jahre-Schlager, Lambada oder Evergreens wie „New York, New York" oder „Stranger in the Night Mozart, Vivaldi - „eben alles quermang". Sie nennt 150 gelochte Bänder - auf jedem sind bis zu sieben Melodien - für ihre „notenbandgesteuerten" Drehorgeln ihr Eigen. Neben diesen Modellen gibt es noch zwei andere: die alten Walzerorgeln, auf denen man acht Lieder endlos wiederholen kann - das Richtige für den klassischen Leierkastenmann, der früher auf den Hinterhöfen spielte - und die mikrochipgesteuerte Orgel.
Elefant mit Drehorgel?
Eine Frau, die reist, fotografiert und die Leierkastenkurbel dreht
Chicago ist voller Kühe - und dieses Viech erinnert Manuela Hopf an ihre Hochzeit, die sie mitten im Pazifik feierte.
„Die kann auch ein Elefant mit seinem Rüssel spielen", so Manuela Hopf. Das ist bei ihren Drehorgeln anders - die kann man schneller oder langsamer spielen. „Das Tolle ist aber, dass jeder damit unkompliziert Musik machen kann." Doch sie selbst kurbelt nicht nur an ihrem Kasten, sondern erzählt auch Geschichten und rezitiert Gedichte zwischen den Melodien. Drehorgelspielertypische Kostüme sind eine Selbstverständlichkeit. Die besorgt sich Manuela Hopf nicht etwa im Kostümverleih, sondern lässt sie in Bangkok schneidern. Denn ein zweites Hobby der Bezirksamtsangestellten ist das Reisen: „Je weiter, desto besser." Also kein Problem, mal in Thailand vorbeizuschauen oder in Hawaii zu heiraten - so geschehen vor zehn Jahren.
Da passte es jetzt bestens ins Bild, mitsamt der Drehorgel nach Chicago zu reisen. „Mit dem Instrument war ich allerdings zum ersten Mal im Ausland", so Manuela Hopf. Über eine New Yorker Agentur, die Geschäftsreisen nach Deutschland vermittelt, landete sie in der Drei-Millionen-Stadt am Michigan-See. Dort spielte sie auf einer Messe und vermittelte den Besuchern einen musikalischen Eindruck von Deutschland - sie hatte Lieder aus Berlin dem Rheinland und von der Waterkant im Gepäck. Und sie ist beeindruckt von Chicago: „Das Zentrum ist unglaublich sauber, die Menschen sehr kontaktfreudig und nett, und die Stadt hätte ich mir nie so schön vorgestellt." Dazu kam noch ein fantastisches End-September-Wetter. Und sie konnte auch ihrem dritten Hobby frönen: dem Fotografieren. Besonders hatten es ihr. die vielen (künstlichen), Kühe in Chicago angetan - es gibt hunderte in der Stadt, die auch wegen ihrer riesigen Schlachthöfe berühmt wurde. Jede Plastik sieht anders aus, jede ist ein kleines Kunstwerk.
Manuela Hopf wird ihrem Haupt-Hobby treu bleiben. So ist sie auch am 10. Oktober beim Treffen der Außenminister mit von der Partie. Es sei keinesfalls das Geld, was sie locke, sondern das Feedback des Publikums, das Aufrechterhalten einer Tradition und der Spaß, betont sie. Sie versucht auch andere für ihre Leidenschaft zu gewinnen. So hat sie vor Jahren den Anstoß zu einem Buch über Leierkästen gegeben, eine Ausstellung im Charlottenburger Heimatmuseum organisiert und Führungen für Blinde gemacht. Denn: „Die Drehorgel ist auch ein fantastisches Instrument für Behinderte." Wer Kontakt mit Manuela Hopf aufnehmen will:
Tel. 4 77 12 92. susch
Mir freundlicher Genehmigung vom Berliner Abendblatt.
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Berolinchen & Bärchen
Manuela & Ingo Hopf
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